Cove Baden Baden

Bei guten MTM-Anbietern kann man durchaus die Schultern, das Revers, die Knopflöcher durchaus so bestellen und abstimmen, daß der Look italienisch oder britisch wirkt. Letztlich kommt ja noch der Stoff dazu, der dem Anzug ja denHauptteil des Anzugs ausmacht.
Klar können die wenigstens Menschen das voneinander unterscheiden; einen gewissen tendenziösen Look gestalten kann man mit guten MTM-System durchaus.
Ein italienischer oder englischer Maßschneider kann Dir die Unterschiede durchaus erkären. Mir hat das Mal ein Zegna-Mitarbeiter bei einer Trunk-Show erklärt. War sehr interessant.
Vorweg: Die wesentliche Erfahrung, die ich mit Bespoke gemacht habe, ist, dass sich die Detailtiefe um Welten von MTM unterscheidet. Da geht es nicht um ein paar plakative Äußerlichkeiten, das ist konzeptionell etwas völlig Anderes und es ist nichts, was Konfektionsfirmen wirklich reproduzieren können, weil das Ziel ihrer Schnittformen in erster Linie Skalierbarkeit und Standardisierung auf eine gängige Silhouette ist. MTM ist nur ein Spezialfall von Konfektion und keine industrielle Variante von echtem Vollmaß, das wird häufig missverstanden und gilt für alle Anbieter, egal in welcher Preisklasse.

Nur in der Maßschneiderei kann man so was wie eine eigene Machart überhaupt ausmachen. Das definiert dann auch in bestimmten Schneidermetropolen durch gegenseitigen Austausch so etwas wie eine regionale Ausprägung. Ich verstehe deswegen heute noch viel besser, warum Maßschneider es fürchterlich finden, dass der Begriff Maßanzug nicht für ihre Arbeit geschützt ist.

Deswegen hinkt es von Anfang an, diesen generischen Konfektionsschnittformen eine regionale Prägung zu geben, evtl. sogar noch unterschiedliche aus der gleichen Schnittform. Das Hauptproblem ist, dass der Torso des Sakkos in MTM im Grunde nicht verändert werden kann. Form des Abstichs, Position der Kassur, Tiefe der Schlitze, Position (oder überhaupt Anwesenheit) der Frontabnäher an der Brust, Form des Armlochs und der Schulterpartie, Form von Kragen und Revers, das ist alles vorgegeben und kann nicht verändert werden. Da macht man z.B. aus einer altdeutschen kastigen 1980er Jahre Ausgangsschnittform noch keinen Neapolitaner, wenn man ein Boutonnière Milanaise draufschnitzt, die Schulterpolster rauslässt und eine eingeschobene Hemdschulter drantackert, um mal so ein plakative Details zu nennen, die in Foren häufig kursieren. ;) Das Thema ist einfach viel komplexer.

Um nur mal ein vages Gefühl dafür zu bekommen, empfehle ich jedem mal hier vergleichend reinzuschauen: https://www.permanentstyle.com/the-guide-to-tailor-styles. Man muss es mit einem Grain of Salt nehmen, weil der gute Crompton für diese Anzüge vermutlich nichts oder nur wenig bezahlt hat, da er damit ja unverhohlen Werbung für die Schneider macht. Meinem Gefühl nach haben sich die jeweiligen Schneiderhäuser angesichts dieser Voraussetzungen unterschiedlich viel Mühe bei der Umsetzung gegeben und da Crompton eine sehr schwierige Figur hat, fallen manche Produkte auch aus renommiertem Hause ziemlich suboptimal aus. Aber es gibt schon einen Anhaltspunkt, um auf Unterschiede zu achten, und das macht das Kleidungshobby auch erst richtig interessant. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Schneidern finde ich dabei übrigens teils prägnanter als zwischen verschiedenen Regionen. Jeder arbeitet dort halt, wie er's gelernt hat und über die Jahre gewohnt ist.

Aber um mal zurück zu regionalen Unterschieden bei MTM zu kommen, hier ein kleiner Vergleich an meinem eigenen Body, beides Full Canvas maschinengenäht, gleiche bekannte Quelle, gleiche Maße.

Ist das englischer Stil? Ultraschwerer Tweed (620g/m), schwere Inlays, Roped Shoulder mit Schulterpolstern, lustige klassische Fronttaschen für die grobe Schrotmunition, falls man mal zur Rebhuhnjagd muss. ;)

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Und das italienischer? Leichte Sommerwolle (255g/m) in Leinwandwebart, sehr leichte Inlays, 3roll2, Paspeltaschen, ungepolsterte Schulter (nur eine dünne Lage Canvas unter dem Oberstoff) mit Pleats.

20231010_151907-0-candidate-jpg.259114


Ich spiele natürlich auch gerne mit Klischees, macht ja auch Spaß :), aber ich nehme es mal vorweg: Das ist beides einfach ziemlich das Gleiche, weil alles andere gleich bleibt, die hohe Kassur mit dem langen Revers, die Form des Abstichs, die gewölbte, schräge Barchetta-Brusttasche, die ganze generische Torso-Form, die man keiner spezifischen Region zuschreiben kann. Wenig überraschend halt. ;)

Ich bin gerne offen für Bildmaterial, wo ein Zegna Su Misura tatsächlich englisch gestaltet wurde (und dann wie englisch? Anderson & Sheppard Drape Cut englisch oder Huntsman strukturiert englisch?) oder etwas Generisches wie Cove oder Scabal englisch oder italienisch (neapolitanisch? mailändisch? römisch?).
 
Vorweg: Die wesentliche Erfahrung, die ich mit Bespoke gemacht habe, ist, dass sich die Detailtiefe um Welten von MTM unterscheidet. Da geht es nicht um ein paar plakative Äußerlichkeiten, das ist konzeptionell etwas völlig Anderes und es ist nichts, was Konfektionsfirmen wirklich reproduzieren können, weil das Ziel ihrer Schnittformen in erster Linie Skalierbarkeit und Standardisierung auf eine gängige Silhouette ist. MTM ist nur ein Spezialfall von Konfektion und keine industrielle Variante von echtem Vollmaß, das wird häufig missverstanden und gilt für alle Anbieter, egal in welcher Preisklasse.

Nur in der Maßschneiderei kann man so was wie eine eigene Machart überhaupt ausmachen. Das definiert dann auch in bestimmten Schneidermetropolen durch gegenseitigen Austausch so etwas wie eine regionale Ausprägung. Ich verstehe deswegen heute noch viel besser, warum Maßschneider es fürchterlich finden, dass der Begriff Maßanzug nicht für ihre Arbeit geschützt ist.

Deswegen hinkt es von Anfang an, diesen generischen Konfektionsschnittformen eine regionale Prägung zu geben, evtl. sogar noch unterschiedliche aus der gleichen Schnittform. Das Hauptproblem ist, dass der Torso des Sakkos in MTM im Grunde nicht verändert werden kann. Form des Abstichs, Position der Kassur, Tiefe der Schlitze, Position (oder überhaupt Anwesenheit) der Frontabnäher an der Brust, Form des Armlochs und der Schulterpartie, Form von Kragen und Revers, das ist alles vorgegeben und kann nicht verändert werden. Da macht man z.B. aus einer altdeutschen kastigen 1980er Jahre Ausgangsschnittform noch keinen Neapolitaner, wenn man ein Boutonnière Milanaise draufschnitzt, die Schulterpolster rauslässt und eine eingeschobene Hemdschulter drantackert, um mal so ein plakative Details zu nennen, die in Foren häufig kursieren. ;) Das Thema ist einfach viel komplexer.

Um nur mal ein vages Gefühl dafür zu bekommen, empfehle ich jedem mal hier vergleichend reinzuschauen: https://www.permanentstyle.com/the-guide-to-tailor-styles. Man muss es mit einem Grain of Salt nehmen, weil der gute Crompton für diese Anzüge vermutlich nichts oder nur wenig bezahlt hat, da er damit ja unverhohlen Werbung für die Schneider macht. Meinem Gefühl nach haben sich die jeweiligen Schneiderhäuser angesichts dieser Voraussetzungen unterschiedlich viel Mühe bei der Umsetzung gegeben und da Crompton eine sehr schwierige Figur hat, fallen manche Produkte auch aus renommiertem Hause ziemlich suboptimal aus. Aber es gibt schon einen Anhaltspunkt, um auf Unterschiede zu achten, und das macht das Kleidungshobby auch erst richtig interessant. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Schneidern finde ich dabei übrigens teils prägnanter als zwischen verschiedenen Regionen. Jeder arbeitet dort halt, wie er's gelernt hat und über die Jahre gewohnt ist.

Aber um mal zurück zu regionalen Unterschieden bei MTM zu kommen, hier ein kleiner Vergleich an meinem eigenen Body, beides Full Canvas maschinengenäht, gleiche bekannte Quelle, gleiche Maße.

Ist das englischer Stil? Ultraschwerer Tweed (620g/m), schwere Inlays, Roped Shoulder mit Schulterpolstern, lustige klassische Fronttaschen für die grobe Schrotmunition, falls man mal zur Rebhuhnjagd muss. ;)

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Und das italienischer? Leichte Sommerwolle (255g/m) in Leinwandwebart, sehr leichte Inlays, 3roll2, Paspeltaschen, ungepolsterte Schulter (nur eine dünne Lage Canvas unter dem Oberstoff) mit Pleats.

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Ich spiele natürlich auch gerne mit Klischees, macht ja auch Spaß :), aber ich nehme es mal vorweg: Das ist beides einfach ziemlich das Gleiche, weil alles andere gleich bleibt, die hohe Kassur mit dem langen Revers, die Form des Abstichs, die gewölbte, schräge Barchetta-Brusttasche, die ganze generische Torso-Form, die man keiner spezifischen Region zuschreiben kann. Wenig überraschend halt. ;)

Ich bin gerne offen für Bildmaterial, wo ein Zegna Su Misura tatsächlich englisch gestaltet wurde (und dann wie englisch? Anderson & Sheppard Drape Cut englisch oder Huntsman strukturiert englisch?) oder etwas Generisches wie Cove oder Scabal englisch oder italienisch (neapolitanisch? mailändisch? römisch?).
Verrätst du den Hersteller?
 
Ah, danke. Das Thema Munro wurde ja schon verschiedentlich behandelt. Im Ergebnis lässt sich leider nicht sagen wer dieses System heute noch anbietet. Ich kenne in Berlin zum Beispiel niemand.
 
Für Aufpreis in Italien klingt gut. Aber nützt ja nichts, wenn ich nicht weiß, ob/wo es hier gibt. Scabal listet wenigstens alle Anbieter auf, auch die kleinen Schneider Betriebe.
 
PS: Mich würde wahrscheinlich made in China stören, aber von der Passform her tadellos finde ich.
Zur Passform: Ich bin damit nach wie vor zufrieden, aber man merkt schon bei Bespoke, wie viel besser es noch geht.

Zu Made in China: Meine Munro-Teile sind ja schon älter und deswegen tatsächlich auch in China gefertigt.

Einer Laserschnitt-, AMF- oder Pikiermaschine ist es erst mal egal, wo sie steht, die Fertigung ist bei Full Canvas auch vorgegeben und automatisiert, die wesentlichen Materialien (Oberstoff, Rosshaarinlays, Knöpfe) kommen aus Italien und UK, die Intelligenz steckt in der Gestaltung und Skalierung der programmierten Schnittform. Maschinelle Aktivitäten sind qualitativ austauschbar, deswegen kann man den Ort der Fertigung ja auch so leicht verschieben. Den Schneider mit Nadel und Faden im romantischen Dämmerlicht seines kleinen Ateliers gibt es halt bei MTM ohnehin nicht, nicht in China, nicht in Indien, nicht in Polen, Tschechien, Portugal und auch nicht in Italien. Überall wird unter hochautomatisierten Fabrikbedingungen gearbeitet.

Natürlich gibt es da noch einen anderen Aspekt, den sozialen. Die unterschwellige Frage ist: Darf man als privater Konsument lohnkostenbezogene Arbitrageeffekte zwischen den verschiedenen Weltregionen ausnutzen? Darauf gibt es keine einfache Antwort für alle Anwendungsfälle, nicht mal aus einer ethischen Perspektive. Wenn ich mir ein Paar komplett handgefertigte Schuhe bei Vass kaufe, profitiere ich auch davon, dass Ungarn ein Niedriglohnland ist. Die Handarbeit (z.B. Stichweite bei Rahmen und Dopplernaht etc.) ist im Vergleich zu japanischen Bespokevirtuosen sicherlich eher rustikal, aber zu mitteleuropäischen Löhnen wäre das Produkt mit der für Handarbeit typischen geringen Skalierungsfähigkeit der Produktion am Markt preislich gar nicht mehr darstellbar. Ich kann nur für mich sagen, den Egoismus gebe ich mir, wo ich es sinnvoll finde. Ich verstehe aber gut, dass man da auch für sich zu anderen Schlüssen kommen kann.

Hochpreisigkeit oder Made in Italy Etiketten schützen einen übrigens auch nicht vor chinesischem Einfluss. Seit 20 Jahren arbeiten auch in Italien in der Textilbranche tausende lokale Firmen unter chinesischer Leitung und mit chinesischen Arbeitern als Vertragsunterproduzenten für bekannte Marken, deren Produkte ohne Probleme das Made in Italy Siegel bekommen. Das Label an sich ist relativ bedeutungslos geworden.
 
Zur Passform: Ich bin damit nach wie vor zufrieden, aber man merkt schon bei Bespoke, wie viel besser es noch geht.

Zu Made in China: Meine Munro-Teile sind ja schon älter und deswegen tatsächlich auch in China gefertigt.

Einer Laserschnitt-, AMF- oder Pikiermaschine ist es erst mal egal, wo sie steht, die Fertigung ist bei Full Canvas auch vorgegeben und automatisiert, die wesentlichen Materialien (Oberstoff, Rosshaarinlays, Knöpfe) kommen aus Italien und UK, die Intelligenz steckt in der Gestaltung und Skalierung der programmierten Schnittform. Maschinelle Aktivitäten sind qualitativ austauschbar, deswegen kann man den Ort der Fertigung ja auch so leicht verschieben. Den Schneider mit Nadel und Faden im romantischen Dämmerlicht seines kleinen Ateliers gibt es halt bei MTM ohnehin nicht, nicht in China, nicht in Indien, nicht in Polen, Tschechien, Portugal und auch nicht in Italien. Überall wird unter hochautomatisierten Fabrikbedingungen gearbeitet.

Natürlich gibt es da noch einen anderen Aspekt, den sozialen. Die unterschwellige Frage ist: Darf man als privater Konsument lohnkostenbezogene Arbitrageeffekte zwischen den verschiedenen Weltregionen ausnutzen? Darauf gibt es keine einfache Antwort für alle Anwendungsfälle, nicht mal aus einer ethischen Perspektive. Wenn ich mir ein Paar komplett handgefertigte Schuhe bei Vass kaufe, profitiere ich auch davon, dass Ungarn ein Niedriglohnland ist. Die Handarbeit (z.B. Stichweite bei Rahmen und Dopplernaht etc.) ist im Vergleich zu japanischen Bespokevirtuosen sicherlich eher rustikal, aber zu mitteleuropäischen Löhnen wäre das Produkt mit der für Handarbeit typischen geringen Skalierungsfähigkeit der Produktion am Markt preislich gar nicht mehr darstellbar. Ich kann nur für mich sagen, den Egoismus gebe ich mir, wo ich es sinnvoll finde. Ich verstehe aber gut, dass man da auch für sich zu anderen Schlüssen kommen kann.

Hochpreisigkeit oder Made in Italy Etiketten schützen einen übrigens auch nicht vor chinesischem Einfluss. Seit 20 Jahren arbeiten auch in Italien in der Textilbranche tausende lokale Firmen unter chinesischer Leitung und mit chinesischen Arbeitern als Vertragsunterproduzenten für bekannte Marken, deren Produkte ohne Probleme das Made in Italy Siegel bekommen. Das Label an sich ist relativ bedeutungslos geworden.

Mann kann immerhin fragen, wer was wo zusammennäht. In der Regel wird darüber nach meiner Erfahrung wahrheitsgemäß Auskunft gegeben. Chinesen in Italien sparen wenigstens das um die Welt fliegen der Stoffe zur Verarbeitung und des Endprodukts zurück, was ich auch keinen unwichtigen Aspekt finde.
 
Mann kann immerhin fragen, wer was wo zusammennäht. In der Regel wird darüber nach meiner Erfahrung wahrheitsgemäß Auskunft gegeben. Chinesen in Italien sparen wenigstens das um die Welt fliegen der Stoffe zur Verarbeitung und des Endprodukts zurück, was ich auch keinen unwichtigen Aspekt finde.
Das hängt von der Größe des Auftraggebers ab. Bei Suitsupply war mindestens der Rücktransport per Überseecontainer arrangiert.

Aber generell akzeptiere ich die Globalisierung bei allen möglichen Produkten und globale Logistik ist nun mal ein Teil davon. Bei großvolumigen Überseetransporten ist die letzte Meile, sprich meine Abholung vor Ort, ohnehin der größte ökologische Faktor dabei. Das war auch nicht mein Grund, letztendlich zu regionalem Bespoke zu wechseln.
 
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