Mode - Fluch der guten Herrenkleidung

Die Anregung nehme ich, dankbar, an und kann heute schon die Umsetzung binnen weniger Tage zu versprechen mir erlauben.
 
Besagter Schneider ist in zweiter Generation als Maßschneider (bespoke und MTM) tätig und wurde vor einigen Jahren in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen in einer Reihe mit Radermacher, Arnulf, Thießen und anderen benannt, was ihn wohl deutlich aus den Reihen der schnöden Ausbesserungshandwerker hervorheben dürfte.
Fairerweise möchte ich feststellen, dass ich es gut nachvollziehen kann, wenn richtige Maßschneider sich aufregen, dass Konfektionsprodukte, die selbst in ihrer bestmöglichen Ausführung immer noch um mehrere Größenordnungen unterhalb von handwerklicher Maßschneiderei liegen, dank Markenlabels in ähnlichen Preislagen und hochpreisiger verkauft werden können als ihre eigene Arbeit. Natürlich hat das mit Vermarktung und Glamourfaktor zu tun, mit Bekanntheitsgrad bei zahlungskräftigen Menschen, die sich für die tieferen Details vom sartorialer Kleidung gar nicht interessieren und entsprechende Unterschiede nicht erkennen. Diese Art von Breitenwirkung können Maßschneider im Allgemeinen nicht erreichen. Damit zu hadern bringt natürlich am Ende wenig, selbst wenn sie damit im Einzelfall technisch recht haben.
 
Aber Männer sollten gut aussehen, das reicht. Und dazu braucht es auch keine ständigen Wechsel von Schnitten und Farben.
Ich bin da ja an sich bei Dir, obwohl Du ja eigentlich nur bedauerst, dass eine Mode, mit der Du Dich wohlgefühlt hast, sich langsam wieder in andere Richtungen entwickelt, in denen sie vor Jahrzehnten auch schon mal war. ;)

Das Problem ist nicht an sich die Mode. Im Grunde ist mittlerweile vom modischen Standpunkt aktueller Tragbarkeit doch alles gleichzeitig möglich von Slim bis Loose Fit, von schmalen bis breiten Revers, von prominenten bis unauffälligen Schultern, von hoher bis niedriger Leibhöhe und weiten bis schmalen Hosen. Die von Designern dominierte Mode, wie man sie nach dem Krieg bis in die 1990er verstanden hat, ist mit dem heutigen hochfrequenten Trend der ewig neuen 24 Schrottkollektionen pro Jahr längst friedlich entschlafen. Das Problem ist die Konfektion. Sie muss immer wieder neue "modische" Aspekte einbringen, weil sonst niemand etwas Neues kauft. Und dabei ignoriert sie, dass das, was sie verändert, sich bei sartorialer Kleidung im Rahmen des gegebenen Proportionskonzepts eigentlich nur an den Gegebenheiten einer konkreten Person orientiert ändern sollte und nicht generell für alle Menschen. Aber sie kann diesbezüglich nicht anders, denn das ist ja das Wesen der Konfektion.

Die Lösung ist, sich von Konfektion zu emanzipieren, damit man neben den erweiterten Möglichkeiten zur Verbesserung der Passform in Abstimmung mit der eigenen Figur selbst Einfluss nehmen kann, wie breit ein Revers, wie lang ein Sakko oder Mantel oder wie schmal und weit eine Hose sein soll. MTM ist da ein guter Anfang.
 
Du sprichst es im Eingangspost ja an. Aber die eine "natürliche Körperform" gibt es schlicht nicht.

Für Hosen gibt es daher ja von skinny bis ultra weit Alles mögliche unter verschiedenen Namen, von verschiedenen Herstellern.

Meine durch den Kraftsport veränderte Statur freut es. Endlich ist dieser skinny Trend vorüber. Endlich eine größere Auswahl an Kleidung die nicht am Oberschenkel oder um die Brust spannt oder viel zu eng ist.

Einnehmen und wegnehmen geht beim Schneider auch leichter, als wenn kein zusätzliches Material da ist.
 
Du sprichst es im Eingangspost ja an. Aber die eine "natürliche Körperform" gibt es schlicht nicht.
Doch, die gibt es. Du schreibst ja selber, dass deine Statur, "durch den Kraftsport verändert ist". Es gibt natürlich verschiedene Grundkörperformen, lang und schmal, untersetzt und breiter, oder eben "normal" bzw. durchschnittlich. Aber bei allen gilt: der Oberschenkel ist in der Regel dicker als der Unterschenkel, der Oberarm breiter als das Handgelenk etc. Und an dieser natürlichen Form des Körpers sollte sich auch Kleidung orientieren.
Und du gibst mir ja auch Recht: wenn du auf deinen Oversized Körper Oversized Klamotten anziehst folgst du ja genau meinem Appell. Was ich hingegen kritisiere ist, dass diese Oversized Sachen für ganz normal gebaute Leute hergestellt sind. Genau das Gleiche gilt für die extremen Skinny-Sachen, die mal in waren. Die waren ja auch nicht nur für magersüchtige gedacht.
 
Und an dieser natürlichen Form des Körpers sollte sich auch Kleidung orientieren.
Das siehst du sicherlich so, aber man darf auch nach anderen Maximen handeln. Ich trage auch nicht wirklich oversized aber etwas Weite kann für eine Silhouette durchaus interessant sein, zumindest mehr, als Vakuumiergerät eng. Ein bisschen über den Tellerrand schauen kann zumindest nicht schaden.
 
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