Mode - Fluch der guten Herrenkleidung

Ich finde es immer lustig, wenn ich mit Leuten meines Alters unterwegs bin und einfach jeder gleich ausschaut: Sündhaft teure Nike sneaker (oft preislich auch Santoni Niveau), viel zu Große/zu weite Jeans von Zara oder C&A - auch baggy jeans genannt - und der Pegador (so heißt die Marke) Hoodie darf natürlich nicht fehlen. Ob männlich oder weiblich - alle schauen gleich aus aber jeder ist natürlich ganz besonders und einzigartig ;). Von den Frisuren fange ich erst gar nicht an. Da fällt man schon negativ auf - ja regelrecht negativ - wenn man nur ein Hemd und Jeans mit normaler Passform trägt.
Ich bin ja sartorial auch noch unerfahren aber ich gebe mir wenigstens Mühe und versuche mich durch meine Kleidung halbwegs von der breiten Masse abzuheben, was zumeist eher negativ wahrgenommen wird („der denkt der ist was besseres“)

Nichtsdestotrotz wünsche ich euch morgen allen einen guten Start in die Woche und rutscht nicht aus :)
 
Vielleicht mal historisch betrachten - ohne Mode gäbe es auch die heutige "gute Herrenkleidung" nicht. Insofern ist alles relativ... ;-)
 
"klassische Herrenmode" hat sich ebenso entwickelt wie "normale" Mode. Wieso denkt hier immer jeder er sei irgendwie "erhaben"?

Jede Epoche war geprägt von Trends - natürlich nicht nur vom Fit, sondern auch von anderen Details (Reversbreite, 3-Teiler, Stoffe & Farben, Accessoirs etc.), auch in der sartorialen Welt.

Jeder mag sein Gusto haben - ich finde auch je nach Anlass können Anzüge auch anders geschnitten sein. Klassisches Beispiel: Ein Leinenanzug gerne etwas weiter - ein navy worsted wool gerne körperbetont (d.h. nicht zu eng oder zu weit).

Hier wird so getan als sei die "sartoriale" Welt" ja total "rational" und "Mode" etwas minderwertiges für "Frauen" (was mich im Ursprungspost schon mit etwas Kotze im Mund zurücklies).
 
Für gentlemen gibt es die rules, die man auswendig lernen und beherzigen kann.
Das mit dem „aneignen und auswendig lernen“ irgendwelcher sozialen Normen oder Gepflogenheiten nur zum Zweck der Selbstdarstellung habe ich nie so wirklich verstanden.

Die Erziehung und das Umfeld sind meines Erachtens nach von Bedeutung, ob man wie ein „Gentleman“ aufgewachsen, bzw. so erzogen wurde oder eben nicht. In letzterem Falle wird Mann den dezenten Stallgeruch nicht los, es wirkt immer in irgendeiner Form gekünstelt.
 
Alles war irgendwann schon mal in Mode - auch das was heute hier als Dresscode der Erleuchteten gilt. Insofern sollte man das gelassen sehen.

Vom "Aufstieg" durch Kleidung halte ich - zumal im Jahr 2023 - nach wie vor nicht viel. Die Garderobe ist im besten Fall Ausdruck der Persönlichkeit. Wirkt sie aufgesetzt geht es leicht nach hinten los. (Ich habe schon Leute erlebt, deren sorgfältige Fassade zusammenbrach, nachdem sie den Mund aufmachten - das war nicht schön...)
 
"klassische Herrenmode" hat sich ebenso entwickelt wie "normale" Mode. Wieso denkt hier immer jeder er sei irgendwie "erhaben"?

Jede Epoche war geprägt von Trends - natürlich nicht nur vom Fit, sondern auch von anderen Details (Reversbreite, 3-Teiler, Stoffe & Farben, Accessoirs etc.), auch in der sartorialen Welt.
Ob sich jetzt jemand erhaben fühlt, weil er einen Anzug trägt, lasse ich mal dahingestellt. Diese Unterstellung erwartet man eher von Nicht-Anzugträgern, Leute, die in „Die da oben“-Kategorien denken. ;)

Aber ich glaube, Du vernachlässigst einen ganz wesentlichen Punkt: Sartoriale Herrenbekleidung ist viel älter als Mode in ihrer neuzeitlichen Breitenwirkung. Das ist auch das Geheimnis, warum sie so lange vergleichsweise unverändert Bestand hatte. Mode ist ein als solches vermarktetes Amalgam regionsübergreifender Designtrends von Kleidung und damit ohne Marketing, moderne Massenmedien und einer Demokratisierung von Konsum in breiten Bevölkerungsschichten undenkbar. D.h., eine auch als solche großflächig wahrgenommene Kleidungsmode konnte sich erst nach dem 1. Weltkrieg als zartes Pflänzchen in kleinen wohlhabenden gesellschaftlichen Gruppen etablieren und gewann erst nach dem 2. Weltkrieg in breiteren Gesellschaftsschichten an Fahrt. Da war der Anzug als Konzept längst seit vielen Jahrzehnten gestalterisch ausentwickelt und zwar von regionalen Gruppen von Maßschneidern, nicht von Konzernen, Werbeindustrie oder „Designern“.

Die Versuche der Konfektionsindustrie, sartoriale Kleidung in Mode zu überführen, um damit mehr Nachfrage durch künstliche visuelle Alterung von Konsumentenbeständen zu erzeugen, kann man ja nur als relativ hilflos bezeichnen. ;) Den Gestaltungskern davon hat es nie berührt, man hat nur an ein paar oberflächlichen Stellschrauben gedreht wie Reversbreite, Kassurhöhe, Saumweite, Leibhöhe, Dinge also, die Maßschneider schon immer variiert haben, um die Körperform ihrer Kunden ansprechender äußerlich abzubilden. Teilweise hat man auch bei den Konfektionsangeboten einfach die Passform künstlich versaut, durch zu weite Schultern (1980er) oder zu engen und zu kurzen Torso (2010er), je nach Epoche. ;)

An der größeren Unabhängigheit von Moden bei sartorialer Kleidung ist also schon was dran. Ist es deswegen ein überlegenes Konzept? Das hängt maßgeblich vom eigenen Standpunkt ab, aber in einem Zeitalter, in dem wir über mehr Nachhaltigkeit in der Kleidung nachdenken, finde ich es zumindest erschreckend aktuell.
 
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